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Baas im Interview: Wie sind Sie eigentlich versichert, Herr TK-Chef? | Politik


BerlinEr kennt das Gesundheitssystem aus allen Perspektiven: als Arzt, Patient und Chef der größten Krankenkasse Deutschlands. Seit 13 Jahren steht Jens Baas (58) an der Spitze der Techniker Krankenkasse, ist verantwortlich für rund 12 Millionen Versicherte.

Im BILD-Interview spricht er über die Ungerechtigkeit zwischen Kassen- und Privatpatienten, die explodierenden Kosten und sagt, warum er selbst privat versichert ist.

BILD: Wie sind Sie selbst versichert, Herr Baas?

Jens Baas: Ich bin privat versichert. Aus der klassischen Situation heraus, wie es wahrscheinlich vielen anderen geht: Als junger Arzt kommt irgendwann ein Vertreter zu dir und sagt: ‚Guck mal, es ist viel billiger‘ und es gibt noch einen schönen Anatomie-Atlas dazu. Da ich keine Ahnung von Gesundheitssystemen hatte, habe ich gesagt: ‚Klar, das unterschreibe ich‘, und seitdem bin ich gefangen in dem System. Eines der Probleme, die wir haben: Ich bin der Vorstand der größten Krankenkasse in Deutschland, kann aber nicht in meine eigene Krankenkasse rein, weil es keine Durchlässigkeit von einem zum anderen System gibt.

Freuen Sie sich insgeheim, dass Sie einen Facharzttermin am nächsten Tag bekommen, während Ihr gesetzlich versicherter Nachbar Monate warten muss?

Nein, ich halte das für eine ausgeprägte Ungerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass unsere Versicherten, gerade auch gut verdienende Versicherte, oft mehr bezahlen, als man in der privaten Krankenversicherung bezahlt, dann aber keine Termine bekommen. Der Großteil der Gesundheitsausgaben in Deutschland wird von gesetzlich Versicherten gestemmt. Da kann es nicht sein, dass unsere Versicherten später Zugang zum Facharzt bekommen. Wir müssen früher oder später die Systemfrage stellen.

Ist es ein Problem, dass sich Top-Verdiener der gesetzlichen Kasse entziehen?

Das ist eines der Probleme. Wenn man sich die Dimensionen anschaut, dann kann man davon ausgehen, dass es einen hohen, einstelligen Milliardenbetrag ausmacht. Es ist aber durchaus ein Gerechtigkeitsproblem an anderer Stelle: Wenn ich mir anschaue, wo die Ärzte heutzutage sind, dann sind Ärzte nicht da, wo kranke Menschen sind, sondern sie sind da, wo privat versicherte kranke Menschen sind. Wir haben eine extrem hohe Orthopäden-Dichte am Starnberger See. Wir haben in Heidelberg-Stadt fünfmal so viele Hausärzte wie im Umland. Das hat damit zu tun, dass dort viele Privatversicherte sind. Und das macht als Arzt auch Sinn – wenn ich mich niederlasse, zu schauen, wo ich mein Einkommen optimieren kann. Als System ist es aber dumm. Wir müssen das System so ausgestalten, dass der Arzt sich da niederlässt, wo die Kranken sind.

Jens Baas bemängelt eine Ungerechtigkeit zwischen gesetzlich und privat Versicherten im Gesundheitssystem

Jens Baas bemängelt eine Ungerechtigkeit zwischen gesetzlich und privat Versicherten im Gesundheitssystem

Foto: Ralf Günther/BILD

Bekommen Kranke in Deutschland unabhängig von ihrem Geldbeutel die gleiche medizinische Versorgung?

Sie bekommen zumindest die gleiche Qualität. Wenn ich operiert werde, hat es nichts damit zu tun, ob ich privat oder gesetzlich versichert bin. Der operiert mich nicht anders.

2027 fehlen den gesetzlichen Krankenkassen bis zu 12 Milliarden Euro. Was treibt die Kosten in die Höhe?

Wir haben in Deutschland viel mehr Geld pro Kopf im System als in jedem anderen Land der Welt. Trotzdem geben wir noch mehr Geld aus. Wir haben zuletzt jedes Jahr eine Steigerung von ungefähr acht Prozent der Ausgaben gehabt. Und wir haben eine Steigerung der Einnahmen von ungefähr vier Prozent. Irgendwann geht es nicht mehr. Und an dem Punkt sind wir im Gesundheitssystem leider.

Was halten Sie davon, dass auch Patienten in Zukunft mehr an den Kosten beteiligt werden?

Auf das heutige System einfach eine Praxisgebühr oder Eigenbeteiligung draufzusetzen, halte ich für den falschen Weg. In einem neuen System könnten dann Gebühren auch eine Rolle spielen. Wenn wir ein System haben, in dem klar gesagt wird: Wenn du zu einem Facharzt willst, dann wird dich ein behandelnder Arzt, meistens der Hausarzt, vielleicht aber auch ein Internist oder ein Orthopäde, überweisen müssen. Dann kann man sich durchaus vorstellen, dass, wenn er das nicht macht und trotzdem hingeht, er eine relativ hohe Zuzahlung leisten muss.

Halten Sie den Hausarzt-Zwang, den Gesundheitsministerin Nina Warken einführen möchte, für sinnvoll?

Ich würde keinen Hausarzt-Zwang einführen. Ich würde ein Primärarztsystem einführen. Das heißt, wenn ich eine bestimmte Erkrankung habe, dann muss ich mich für einen Arzt entscheiden und sagen: Er ist der primäre Arzt, der für meine Behandlung zuständig ist. Es wird oft der Hausarzt sein, aber nicht unbedingt.

TK-Chef Jens Baas im Gepsärhc mit den BILD-Reportern Angelika Hellemann und Josef Forster

TK-Chef Jens Baas im Gespräch mit den BILD-Reportern Angelika Hellemann und Josef Forster

Foto: Ralf Günther/BILD

Halten die Kassen die Kostenentwicklung auf Dauer durch?

Das Problem ist: Halten die Versicherten das durch, weil sie das Geld ja bezahlen müssen? Nein, definitiv nicht. Wir sind jetzt bei einer Größenordnung, die sich deutlich den 20 Prozent annähert. Das ist doch eigentlich schon die Schmerzgrenze. Wie viel will man denn noch bezahlen für seine Krankenkasse? Wollen Sie ein Viertel Ihres Einkommens für die Krankenkassen bezahlen? Das ist doch verrückt.

Wann rechnen Sie mit Kassenbeiträgen in Höhe von 20 Prozent?

Ende des Jahrzehnts kommen wir dahin, wenn nichts passiert.

Wird der Zusatzbeitrag für die Techniker Krankenkasse 2026 steigen?

Ich habe keine Ahnung, denn ich weiß nicht, wie die politischen Entwicklungen dieses Jahr sein werden. Wir hoffen ja noch, dass die Ministerin fürs nächste Jahr etwas auf den Weg bringt, das die Kosten eindämmt.


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