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Botschafter Alexander Lambsdorff: Nerven-Schlacht in Moskau | Politik


Mehr als 20 Jahren war das einer DER Traumposten für deutsche Spitzendiplomaten: Botschafter in Moskau sein!

Eine der echten Weltstädte – imperial bis hinter den zweiten Stadtring, 13 Millionen Einwohner (etwa wie Bayern!). Größer ist sonst kein Land auf der Welt. Und Moskau war richtig wichtig mit Billig-Gas und Kreml-Öl und Atombomben.

Alle wollten hin und kamen auch: Kanzler, Parteichefs und die deutsche Wirtschaft!

Macht-Pracht: Die Weltstadt Moskau mit dem Kreml war lange Traumziel deutscher Diplomaten. Jetzt herrscht wieder Eiszeit

Macht-Pracht: Die Weltstadt Moskau mit dem Kreml war lange Traumziel deutscher Diplomaten. Jetzt herrscht wieder Eiszeit

Foto: Getty Images

VORBEI!

Alexander Graf Lambsdorff (57), seit August unser Mann in Moskau, hat einen einsamen Hardcore-Job angetreten: Die alten Eiszeit-Zeiten sind wieder da!

Das Botschafterleben in Moskau nun: Spießrutenlauf statt Empfänge-Paraden. Der ehemalige FDP-Spitzenpolitiker und Berufs-Diplomat wird seit Dienstantritt gemobbt, getrietzt und voll überwacht!

Und jetzt musste er eine etwas holprige Zwangs-Rückreise nach Berlin antreten. Außenministerin Annalena Baerbock (43, Grüne) hat ihn demonstrativ zurückgerufen als Deutschlands Protest gegen die in der Vorwoche bekannt gewordenen Hackerangriffe des russischen Militärgeheimdienstes GRU auf die Bundes-SPD und deutsche Unternehmen der Rüstungs-, Logistik-, IT- und Luft- und Raumfahrtbranche.

Baerbocks Sprecherin Kathrin Deschauer sprach davon, Lambsdorff komme „zu Konsultationen“ nach Berlin. Das Ganze sei ein „übliches Verfahren“.

Üblich? Wenn man sich unter Diplomaten kloppt – dann ja! Denn dann geht es unblutig zu:

▶︎ Beschwerdebriefe (diplomatische Noten) werden ausgetauscht (untere Eskalationsstufe über dem erhobenen Zeigefinger: geballtes Fäustchen).

▶︎ Botschafter von Staaten, die sich nicht benehmen können, werden einbestellt – zur kontaktlosen Kopfwäsche im eigenen Außenministerium.

▶︎ Oder aber, wenn es über das Kopfnuss-Niveau hinausgehen soll, dann holt man den eigenen Botschafter aus dem Lümmel-Land zurück. Eine Woche Botschafter-Abzug gilt als angemessene Geste. Danach käme dann: Abzug des Botschafters – dann lässt man einen Geschäftsträger zurück.

Eingang zur deutschen Botschaft in Moskau

Eingang zur deutschen Botschaft in Moskau

Foto: IMAGO/Russian Look

Lambsdorff im Putin-Moskau – für beide Seiten reine Nervensache:

▶︎ Dem Diplomaten wurde „der konfrontative und unfreundliche Charakter der Handlungen der deutschen Seite“, „antirussische Politik Deutschlands“ und die „vollständige Zerstörung“ der Beziehungen vorgehalten. Gemeint: dass sich Berlin plötzlich nicht mehr komplett mit Öl und Gas erpressen ließ.

Botschafter Lambsdorff am Dienstagmorgen nach seiner Landung in Berlin

Botschafter Lambsdorff am Dienstagmorgen nach seiner Landung in Berlin

Foto: Sven Meissner

▶︎ Zum Tag der Deutschen Einheit lud dann Lambsdorff in die Botschaft und watschte Kreml-Führer Putin in seiner Rede diplomatisch-gnadenlos ab. Kernbotschaft: Die Mauer „wurde von all den Frauen und Männern eingedrückt, die nicht in einem sowjetischen Imperium leben wollten“.

▶︎ Mit westlichen Kollegen ging Lambsdorff demonstrativ zur Beerdigung des russischen Oppositionsführer Alexej Nawalny († 47). Lambsdorff damals zu BILD: „Wir haben heute das andere, menschliche Russland gesehen.“ Der Kreml reagiert: Lambsdorff wird der Weg in die Kirche abgeschnitten: Zutritt verwehrt!

Botschaft an den Kreml: Lambsdorff mit anderen westlichen Spitzendiplomaten bei der Beerdigung von Alexej Nawalny

Botschaft an den Kreml: Lambsdorff mit anderen westlichen Spitzendiplomaten bei der Beerdigung von Alexej Nawalny

Foto: Anadolu via Getty Images

▶︎ Am selben Abend veröffentlicht Kreml-TV den Inhalt einer Videoschalte deutscher Top-Militärs über mögliche Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine. Moskau macht daraus die Propaganda-Lüge, Deutschland plane eigene Angriffe auf Russland.

▶︎ Daraufhin wurde Lambsdorff nach offiziellen Angaben einbestellt ins Außenministerium – es handelte sich allerdings um einen länger geplanten Besuch: Dort lauern mehrere Staats-„Journalisten“ und bedrängen den Botschafter, versperren ihm gar den Weg ins Gebäude. Er bleibt ruhig, bittet um Durchlass, sagt sonst kein Wort: Immer schön die Nerven behalten – dafür gibt’s den Diplomaten-Lohn.

Bedrängt: Lambsdorff am russischen Außennministerium in Moskau

Bedrängt: Lambsdorff am russischen Außennministerium in Moskau

Foto: Tass

Lambsdorffs Botschaftsgebäude, ein Klinkerkomplex an der Mosfil’moskayakaja Straße, ist von den Russen umstellt: Niemand kommt mehr ohne Russen-Kontrolle ins Gebäude. Noch arbeiten knapp 200 Anstellte und Diplomaten in der Botschaft – ein Drittel weniger als vor dem Krieg. Der Rest: ausgewiesen.

Aber Vertraute wissen zumindest zu berichten, dass sich die westlichen Diplomaten noch in der Stadt treffen, Lambsdorff zumindest gelegentlich noch die guten Restaurants und die Kultur genießen kann. Allerdings: unter Vollbeobachtung des Kreml.

Jetzt hat er frei – eine Woche in Berlin.


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