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Florian Lipowitz: Geheimnisse seiner Tour de France | Sport


Die deutschen Radsport-Fans schauen auf ihn!

Zehn Deutsche waren dabei, als am Sonnabend in Lille die Tour de France begann. Der aussichtsreichste der zehn deutschen Fahrer: Florian Lipowitz (24) aus Laichingen (Baden-Württemberg). In BILD spricht er über sein Leben, seine Karriere, seine Träume.

BILD: Die Gesamtwertung des Criterium Dauphiné, des wichtigsten Vorbereitungsrennens auf die Tour de France, zeigte den Namen Lipowitz hinter den Superstars Pogacar und Vingegaard und vor Evenepoel. Was macht das mit Ihnen?

FLORIAN LIPOWITZ: Es ist schön zu wissen, dass man da mitfahren kann. Ich bin mit dem Ziel Top 10 angereist. Dreiviertel der Tour-Kapitäne waren da, deshalb hatte ich mich nicht zu viel ausgemalt und das Team rechnete auch nicht mit dem Podium. Umso schöner, dann auf dem Treppchen zu stehen. Das hat mich wahnsinnig gefreut.

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Quelle: BILD

BILD: Erhöht es den Druck auf Sie bei der Tour, wenn Sie nun schon in die Phalanx der besten Drei der Welt eingedrungen sind?

Lipowitz: Ich würde eher sagen, dass es Druck genommen hat, denn nun weiß ich, dass ich gut in Form bin. In den zwei Wochen vor der Tour kann man diese Form nicht mehr verlieren. Es gibt einem also Sicherheit. Das gibt mehr Motivation, wenn man weiß, es läuft gut. Da geht man positiver in die Tour, mir macht das nicht mehr Druck.

BILD: Primoz Roglic wird der Kapitän sein. Wie sieht Ihre Rolle aus?

Lipowitz: Ich werde der letzte Helfer für Primoz in den Bergen sein, werde lange bei ihm sein. Vorher habe ich nicht allzu viel zu tun. Zusammen können wir viel erreichen und wenn es die Möglichkeit gibt, kann ich auch auf die eine oder andere Etappe fahren. Die ersten zehn Tage sind flach, aber gefährlich, da wird es hektisch zugehen. Man muss die erste Woche ohne größeren Sturz überleben, dann wird es sich in den Bergen zeigen.

BILD: Roglic ist ja als Risiko-Fahrer bekannt, der viel stürzt. Würden Sie im Fall der Fälle als Kapitän bereitstehen?

Lipowitz: Darüber haben wir nicht gesprochen, das wäre auch noch zu früh. Meist ist er in seiner zweiten Grand Tour im Jahr super stark, deshalb gehe ich davon aus, dass er topfit sein wird. Beim Giro (Aus nach Sturz – d. Red.) hatte er Pech. Im schlimmsten Fall würde kurzfristig entschieden.

BILD: Als Helfer waren sie 2024 Siebter der Vuelta. Peilen Sie auch bei der Tour die Top 10 an?

Lipowitz: Die Tour ist viel stärker besetzt als die Vuelta, da muss man abwarten. Der Erfolg gibt einem jedoch Selbstvertrauen, da ich gezeigt habe, dass ich drei Wochen gut und ohne größere Einbrüche fahren kann. Darauf kann dann auch das Team vertrauen, dass ich gute Leistungen zeigen werde. Aber das ergibt sich nach der zweiten Woche. Das Hauptziel für mich ist nicht, auf Gesamtwertung zu fahren. Aber wenn ich der letzte Mann bei Primoz bin, dann sind da nicht mehr allzu viele im Peloton, die vor mir sein können.

Florian Lipowitz mit seiner Freundin Toni Weeger

Florian Lipowitz mit seiner Freundin Toni Weeger

Foto: PRIVAT

BILD: Nach der Dauphiné wurden sie schon von einigen Medien auf das Podium bei der Tour geschrieben. Was sagen Sie denen?

Lipowitz: Wenn man Realist ist, bin ich beim Giro nach fünf Tagen wegen Krankheit raus. Es kann also schnell vorbei sein. Daher ist die Tour nach der Vuelta quasi erst meine zweite richtige Grand Tour. Ich bin also noch sehr unerfahren. Das Podium wäre da sehr weit hergeholt. Für mich ist das Wichtigste, durchzukommen und eine solide Leistung zu zeigen.

BILD: Sie waren bis vor fünf Jahren Biathlet. Wie kam der Wechsel aufs Rad zustande?

Lipowitz: Mein Papa ist viel Rad gefahren und ich saß im Sommer für die Ausdauer viel auf dem Rad. Das machte mir schon immer Spaß. Aber die Auslöser waren zwei schwere Verletzungen. Ich habe mir die Wachstumsfuge im Knie entzündet und erlitt einen Kreuzbandriss. Bei der ersten Verletzung konnte ich ein Dreivierteljahr keinen Sport machen, und das Erste, das wieder ging, war Radfahren, da es schonend für die Gelenke ist. Beim Kite-Surfen auf Fuerteventura kam dann die Kreuzband-Verletzung.

Als Biathlet war Florian Lipowitz Deutscher Schülermeister

Als Biathlet war Florian Lipowitz Deutscher Schülermeister

Foto: Privat

BILD: Beim Kite-Surfen?

Lipowitz: Ja, ich wollte es ordentlich lernen, nachdem ich das Jahr vorher schon mal einen Kurs gemacht hatte. Jedenfalls bin ich mit einem Bein aus der Schlaufe raus und das andere Bein war noch im Board drin. Der Körper drehte sich und das Bein blieb gerade. Da machte es Klack im Knie. Da war wieder Pause und das Erste, das ging, war wieder Radfahren.

BILD: Stimmt es, dass Sie Rad-Marathons gefahren sind?

Lipowitz: Mein Vater ist Rad-Marathons gefahren, und die bin ich aus Spaß mitgefahren. Ich bin damals 7000 km im Jahr gefahren. Bei einem Sommer-Biathlon-Wettbewerb kam mein Papa mit Dan Lorang (Performance-Coach bei Red Bull – d. Red.) ins Gespräch. Ich wollte es gern mal im Radsport versuchen, kannte aber niemanden. Dan war super offen, organisierte eine Leistungsdiagnostik und die fiel gut aus. Ich bekam ein Angebot von Tirol KTM. Wenn das passiert, ohne dass ich je ein Rennen gefahren bin, muss man die Chance ergreifen.

Beim Criterium Dauphiné wurde Florian Lipowitz Dritter und sicherte sich das Nachwuchs-Trikot

Beim Criterium Dauphiné wurde Florian Lipowitz Dritter und sicherte sich das Nachwuchs-Trikot

Foto: picture alliance / Roth / SCA

BILD: Sind Sie tatsächlich mit neun Jahren schon 120 km am Tag gefahren?

Lipowitz: Als Ausnahme vielleicht. Ab und zu haben wir im Sommer was unternommen, der Papa vorn, ich im Windschatten. Vielleicht war ich auch zehn. Wir sind später mal von Genf nach Nizza, das waren 800 km in einer Woche.

BILD: Konnten Sie im Biathlon besser schießen oder besser laufen?

Lipowitz: Besser laufen.

BILD: Was kann man aus dem Biathlon in den Radsport mitnehmen?

Lipowitz: Gar nicht so viel. Die Rennen sind wie ein Zeitfahren. Im Biathlon dauert das 30, 40 Minuten. Dort, und auch beim Zeitfahren im Radsport, ist man die ganze Zeit am Anschlag. Wenn man beim Biathlon stürzt, fällt man in den Schnee und hat vielleicht ein paar Schrammen. Beim Radsport mit 60 km/h kann man glücklich sein, wenn nur die Haut fehlt und sonst alles heile bleibt. Und Biathlon ist eine Einzelsportart, Radsport ist ein Teamsport.

Florian Lipowitz führt eine Gruppe bei der Dauphiné an

Florian Lipowitz führt eine Gruppe bei der Dauphiné an

Foto: AFP via Getty Images

BILD: Sie sagten mal, manche Radprofis fahren, als ginge es um Leben und Tod. Warum wechselten Sie dennoch zum Radsport?

Lipowitz: Da muss ich ausholen. Natürlich macht man sich super viele Gedanken. Mein erstes Rennen war in Kroatien. Ich bin zwei-, dreimal gestürzt. Da habe ich zu Hause weinend angerufen und gesagt: Das ist nichts für mich. Viel zu gefährlich. Ich will da nicht mein Leben für irgendeinen Erfolg riskieren.

BILD: Aber Sie blieben dabei!

Lipowitz: Wenn man für zwei Jahre unterschreibt, hört man nicht nach dem ersten Rennen auf. Man versucht es weiter, gibt sein Bestes und dann hat sich alles ins Positive gedreht. Aber bei den Unfällen in den vergangenen zwei Jahren macht man sich schon Gedanken. Vor allem die Abfahrten. Ich bin da schon einer, der eher vorsichtig bergab fährt. Da ist mir auch egal, ob ich zehn Sekunden in der Abfahrt verliere.

Florian Lipowitz bei der Team-Präsentation der Tour de France am Donnerstag in Lille

Florian Lipowitz bei der Team-Präsentation der Tour de France am Donnerstag in Lille

Foto: Getty Images

BILD: Haben Sie zu Roglic schon mal gesagt: „Mach mal langsamer“, oder er zu Ihnen: „Mach mal schneller“?

Lipowitz: (lacht) Nein, das kam noch nicht vor. Aber bei der Dauphiné hatten einige Teams die Taktik, Fahrer in den Abfahrten abzuhängen. Da denke ich mir: Der Sport ist schon gefährlich genug. Der beste Fahrer entscheidet das Rennen im Anstieg oder im Zeitfahren und nicht auf der Abfahrt. Man muss nicht alles bis aufs letzte Risiko ausreizen.

BILD: Wären Sie ohne die Verletzungen ein guter Biathlet geworden?

Lipowitz: Das ist schwer zu sagen. Ich war als Schüler und Jugend richtig gut, würde aber sagen, dass ich mehr Talent im Radsport habe.

BILD: Haben Sie als Kind mehr Radsport oder Biathlon geschaut?

Lipowitz: Mehr Biathlon. Die Tour und der Giro standen auch auf dem Programm, aber ich schaue auch heute noch Biathlon im Winter. Da können auch Außenseiter gewinnen.

Im Zeitfahren gibt Florian Lipowitz eine ordentliche Figur ab. Der Kampf gegen die Uhr ist ein zentraler Bestandteil der Tour de France

Im Zeitfahren gibt Florian Lipowitz eine ordentliche Figur ab. Der Kampf gegen die Uhr ist ein zentraler Bestandteil der Tour de France

Foto: Stefano Cavasino/LiveMedia-IPA/ZUMA Press Wire/dpa

BILD: Wer gewinnt die Tour de France?

Lipowitz: Wenn nichts passiert, würde ich auf Pogacar tippen.

BILD: Was kann der besser als Vingegaard und Evenepoel?

Lipowitz: Ich würde sagen, er ist der kompletteste Fahrer. Er kann einfach alles: sprinten, Berge, kann die langen Anstiege. Er hat keine Schwäche und kann drei Wochen seine Leistung abrufen. Es wird schwer, ihn zu schlagen.

Das Team Red Bull-Bora-hansgrohe vor dem Start der Tour de France in Lille

Das Team Red Bull-Bora-hansgrohe vor dem Start der Tour de France in Lille

Foto: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP

BILD: Jedes Jahr, pünktlich vor der Tour, kommt die Doping-Diskussion auf. Haben Sie die neue ARD-Reportage „Im Windschatten“ gesehen?

Lipowitz: Zwei Minuten, dann habe ich umgeschaltet. Der Radsport ist der am meisten kontrollierte Sport. Dazu das Adams-System. Ich glaube, es gibt keinen Sportler, der nicht schon mal schweißgebadet nachts aufgewacht ist, und nachgeschaut hat, ob er tatsächlich den richtigen Ort, an dem er sich gerade befindet, dort eingetragen hat. Ich glaube, wir sind eine super kontrollierte Sportart.

BILD: Schieben Sie das Thema weg?

Lipowitz: Ich weiß, dass ich alles regelkonform mache. Ich mache mein Ding und versuche, mein Bestes zu geben. Ich trainiere fleißig, gehe in die Höhe und mache einfach alles, was in meinen Möglichkeiten steht. Dann kommt raus, was rauskommt. Ich mache den Sport aus Spaß, und da bringt es nichts, groß darüber nachzudenken, was die anderen machen. Der Radsport ist super kontrolliert. Solange alle Tests negativ sind, muss ich davon ausgehen, dass alle negativ sind.


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