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Olympia-Boykott 1984: So reagierten die betrogenen DDR-Sportler | Sport


Es war die wohl dunkelste Stunde des DDR-Sports!

Am Freitag vor 40 Jahren gab das Nationale Olympische Komitee (NOK) den Boykott der Olympischen Spiele in Los Angeles bekannt, folgte damit dem großen Bruder UdSSR, der sich für den West-Boykott der Spiele von Moskau 1980 revanchierte.

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Quelle: Bild

Viele DDR-Stars wurden so ihrer Gold-Chancen beraubt. Rad-Sprinter Lutz Heßlich (65) zu BILD: „Die schwärzeste Stunde in meinem Leben. Ich wurde um Gold betrogen.“ Weitsprung-Star Heike Drechsler (59): „Ein Schock-Moment. Mir wurde das Gold gestohlen.“ Sprinterin Marlies Göhr (66): „Ich bin sofort aus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft ausgetreten, habe den Ausweis verbrannt.“

Begründung des NOK: „Die ständige politische Einmischung der USA-Administration in die Vorbereitung der Olympischen Spiele und die wiederholten Verletzungen der Olympischen Charta seitens der Organisatoren schufen seit langem ernsthafte Gefahren für die Teilnahme unserer Sportler an den Wettkämpfen unter gleichen, ehrlichen und fairen sportlichen Bedingungen.“

Heßlich: „Wir waren 1983 in Amerika. Wir waren sicher.“ Auch die Leichtathleten waren ein Jahr vor den Spielen zu einem Länderkampf in Los Angeles. Göhr: „Ich schlug Evelyn Ashford, damals der Superstar. Da ließen sie die Siegerehrung ausfallen.“

Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ zitierte Heßlich, der heute seinen eigenen Rad-Laden in Cottbus betreibt, am 12. Mai 1984: „Durch die Nichteinhaltung der Olympischen Charta durch die USA werden viele Sportler um die Olympiateilnahme und um einen eventuellen Olympiasieg gebracht.“

Lutz Heßlich aus Cottbus war von 1983 bis 1985 ungeschlagen

Lutz Heßlich aus Cottbus war von 1983 bis 1985 ungeschlagen

Foto: picture alliance / Augenklick/Roth

Heßlich heute: „Eine blanke Lüge! Alles frei erfunden. Ich beschwerte mich bis zum Bezirkssekretär. Der sagte, ich könne das Zitat richtigstellen, aber dann wäre meine Karriere beendet. Doch ich wollte nach 1980 nochmal Olympiasieger werden.“ Schaffte er 1988.

Wie erfuhr das Trio von dem Boykott? Der Rad-Star war gerade bei einem Wettkampf in Tiflis. „Die Amerikaner haben es uns dort erzählt, aber ich konnte es nicht glauben. Ich bin dann erstmal schnell Weltrekord über 200 Meter fliegend gefahren und gewann den Sprint vor Michael Hübner.“

Heike Daute jubelt über ihren Wutsprung von 7,29 m, der drei Tage nach der Boykott-Erklärung DDR-Rekord bedeutete

Heike Daute jubelt über ihren Wutsprung von 7,29 m, der drei Tage nach der Boykott-Erklärung DDR-Rekord bedeutete

Foto: picture-alliance / dpa

Auch der war aus der DDR. Was war mit dem späteren LA-Olympiasieger Mark Gorski (64)? Der wurde nur Dritter. Heßlich: „Ich war 1983 bis 1985 ungeschlagen. Ich wurde um Gold betrogen, ganz klar. Ich war klar besser als der Amerikaner.“

Drechsler und Göhr waren in Jena, wo sie sich auf einen Wettkampf am folgenden Wochenende vorbereiteten. „Der Klub-Vorsitzende sagte es uns beim Training“, so Drechsler, die damals noch ihren Mädchennamen Daute trug. „Die Verantwortlichen wussten es lange vorher und haben uns Athleten an der Nase herumgeführt. Schon im Februar kam ein Funktionär und sagte, dass wir boykottieren, weil wir angeblich zu wenig trainieren.“

Nach Olympia trafen Marlies Göhr (r.) und Evelyn Ashford (2. v. r.) in Zürich aufeinander. Die Amerikanerin gewann

Nach Olympia trafen Marlies Göhr (r.) und Evelyn Ashford (2. v. r.) in Zürich aufeinander. Die Amerikanerin gewann

Foto: picture alliance/KEYSTONE

Göhr: „1984 war mein stärkstes Jahr. Realisiert haben wir den Boykott lange nicht.“ Die „Entschädigung“: „Wir durften zu den Wettkämpfen der Freundschaft nach Prag, aber die Männer mussten nach Moskau. Das war gleich das nächste…“

Fühlt sie sich um Gold betrogen? „Um Olympia betrogen ja, um Gold nicht. Evelyn war schon sehr stark, das wäre hart für mich geworden. Sie schlug mich kurz nach Olympia in Zürich mit Weltrekord“, sagt die Thüringerin fair. „Aber das Finale zu Hause im Fernsehen zu schauen, war echt blöd.“

So berichtete das SED-Zentralorgan Neues Deutschland am 11. Mai 1984

So berichtete das SED-Zentralorgan Neues Deutschland am 11. Mai 1984

Foto: ND

Und Drechsler? „Ich war 1983 Weltmeisterin geworden und Rumänien mit meiner Hauptkonkurrentin Anisoara Stanciu fuhr nach Los Angeles. Sie gewann. Mein Vorteil war, dass ich jung war. Andere hörten sofort auf. Da sind Lebensräume kaputt gegangen. Aber man war im System gefangen. Um Gold betrogen fühle ich mich dennoch.“

Erst für das vereinte Deutschland sollte es dann mit gleich zwei Olympiasiegen klappen: 1992 in Barcelona und 2000 in Sydney. Nur drei Tage nach der Boykott-Erklärung hatte sie ein ganz besonderes Bonbon parat. In Jena sprang sie mit 7,29 Metern DDR-Rekord.

Drechsler: „Da war gehörig Wut mit in dem Sprung. Dazu die Enttäuschung. Vielleicht auch Verdrängung. Nicht teilzunehmen war doof. Olympia war mein Traum, das tat weh.“


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